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Wettbewerbsverzerrung durch nachträgliche Änderung der Zuschlagskriterien

 

RPA 2025, 113

BVwG 10. 1. 2025, W607 2300310-2/34E in RPA - Zeitschrift für Vergaberecht (Verlag Österreich)

Sachverhalt

Der gegenständliche Nachprüfungsantrag betraf ein Vergabeverfahren über den Abschluss einer Rahmenvereinbarung für das Hochwasserschutzprojekt Glanfurt, konkret für die Ziviltechnikerleistungen (zB die Ausführungsplanung, die Ausschreibung oder die örtliche Bauaufsicht). Im Laufe des Vergabeverfahrens ergänzte der Auftraggeber eines der bereits vorgesehenen Sub-Zuschlagskriterien um ein Sub-Sub-Zuschlagskriterium. Dieses war bei der Bekanntmachung des Vergabeverfahrens noch nicht existent.

Die vom Auftraggeber in Aussicht genommene präsumtive Zuschlagsempfängerin hatte für das konkrete Hochwasserschutzprojekt Glanfurt bereits seit Jahren umfangreiche Planungsleistungen erbracht. Insbesondere hatte sie die Einreichunterlagen im wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren erstellt und ist im Genehmigungsverfahren als Vertreterin der Konsenswerber aufgetreten.

Mit diesem neuen (zusätzlichen) Sub-Sub-Zuschlagskriterium wurde bewertet, inwiefern ein Bieter die vorhandene Einreichplanung modifizieren könne. Bei der Einreichplanung handelte es sich um eine Vorarbeit der präsumtiven Zuschlagsempfängerin. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wurde hinsichtlich des neuen (zusätzlichen) Sub-Sub-Zuschlagskriteriums mit „sehr gut“ bewertet. Der Antragstellerin (zweitplatzierten Bieterin) wurde in diesem neuen (zusätzlichen) Sub-Sub-Zuschlagskriterium angelastet, dass ihre Modifikationen der Einreichplanung präziser und umfassender sowie spezifische Anforderungen weiter ausgearbeitet sein könnten und Raum für Verbesserung hinsichtlich der technischen Lösungen bestehe. Dass ausschließlich die präsumtive Zuschlagsempfängerin spezifisches Fachwissen über die eigene Einreichplanung hatte, wurde vom Auftraggeber nicht berücksichtigt, sodass die zweitplatzierte Bieterin daraufhin einen Nachprüfungsantrag einbrachte. Das BVwG gab dem Nachprüfungsantrag – zu Recht – statt.

Glosse

Bei der Ausführungsplanung handelt es sich um eine auf die Einreichplanung aufbauende Leistung. Entscheidet man sich als Auftraggeber, diese Leistungen getrennt zu vergeben, ergibt sich unter Umständen eine Vorarbeitenproblematik. In solchen Fällen trifft den Auftraggeber ex lege die Pflicht, geeignete Maßnahmen zu treffen, um den Wettbewerbsvorsprung eines vorarbeitenden Bieters auszugleichen. Ist dies nicht möglich, so ist der betreffende Unternehmer von der Teilnahme am Wettbewerb auszuschließen.

Hier gegenständlich wurde die Modifikation der Einreichplanung – der nachweislichen Vorarbeit einer Bieterin und der späteren präsumtiven Zuschlagsempfängerin – nachträglich im Laufe des Vergabeverfahrens als Sub-Sub-Zuschlagskriterium festgelegt. Daraus ergab sich für die Bieterin, die zuvor mit den Leistungen der Einreichplanung beauftragt war, ein Wissensvorsprung. Die Festlegung des Auftraggebers, die Modifikation der Einreichplanung als bewertungsrelevant anzusehen, führte damit zu einer für die vorarbeitende Bieterin günstigen Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der übrigen Bieter. Gemäß § 25 BVergG 2018 bleibt es einzig die Verpflichtung des Auftraggebers, den Schutzzweck eines freien und lauteren Wettbewerbs zu gewährleisten, was nach Vorgaben des Gesetzgebers mittels einer Prognoseentscheidung des Auftraggebers erfolgt. Die Entscheidung, die Einreichunterlagen inhaltlich zu überarbeiten, hätte daher beim Auftraggeber zu einer neuerlichen Prognoseentscheidung über die Teilnahmemöglichkeit der mit Vorarbeiten beauftragten Bieterin – inklusive Dokumentation im Vergabeakt – führen müssen. Dies ist im gegenständlichen Fall allerdings nicht erfolgt.

Der Auftraggeber monierte im Zuge des Nachprüfungsverfahrens, dass weder die Ausschreibungsbestimmung, dass mit Vorarbeiten beauftragte Bieter sich am gegenständlichen Vergabeverfahren beteiligen dürfen, noch die Änderung der Zuschlagskriterien angefochten wurden. Nachvollziehbar erkennt das BVwG in diesem Zusammenhang zu Recht, dass keine „Anfechtungspflicht“ der Antragstellerin bestand. Die Pflicht, den Wettbewerbsvorsprung eines vorarbeitenden Bieters und somit eine allfällige Wettbewerbsverzerrung auszugleichen, trifft allein den Auftraggeber. Der Antragstellerin konnte und durfte auch nicht bekannt sein, dass sich die an den Vorarbeiten maßgeblich beteiligte präsumtive Zuschlagsempfängerin am Vergabeverfahren beteiligt. Dies war erst mit der gegenständlich angefochtenen Zuschlagsentscheidung bekannt geworden. Zu begrüßen ist auch die Festlegung des BVwG dahingehend, dass einem Bieter angesichts der (gravierenden) Kostenfolgen nicht aufgezwungen werden kann, auf bloßen Verdacht hin Nachprüfungsanträge zu stellen.

Zusammenfassend gilt daher, dass ein Wissensvorsprung insbesondere dann ins Gewicht fällt, wenn – wie hier gegenständlich – ein anderer Bieter bei Nichtberücksichtigung der Vorarbeiten als Bestbieter hervorgehen würde. Für die Praxis empfiehlt es sich daher, nachträgliche Änderungen von Ausschreibungsbestimmungen und im Besonderen die Änderung von Zuschlagskriterien mit Bedacht auf die mögliche Auswirkung des Wettbewerbs festzulegen.

 
Sandro Huber