Elektronisch qualifizierte Signatur eines Angebots auch bei Abgabe per E-Mail erforderlich
BVwG 04.03.2025, W607 2303639-2 in ZVB, Zeitschrift für Vergaberecht und Bauvertragsrecht (MANZ'sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH)
Sachverhalt
Gegenständlich war ein Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung zur Vergabe von Dienstleistungen im Oberschwellenbereich (General-Planungsleistungen). Das Vergabeverfahren wurde elektronisch über die Vergabeplattform (ANKÖ) abgewickelt. In der zweiten Stufe des Verfahrens wurden die Bieter dazu aufgefordert, ihr Letztangebot - anders als zuvor über das Vergabeportal ANKÖ - per E-Mail abzugeben. Im dazu übermittelten Aufforderungsschreiben wurde von der ausschreibenden Stelle darauf hingewiesen, dass die Ausschreibungsunterlagen der ersten Stufe unverändert in Geltung bleiben. Da diese vorsahen, dass ein Angebot nur dann als gültig eingebracht gilt, wenn es mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, kam die spätere ASt der Aufforderung zur Abgabe des Letztangebots fristgerecht nach und übermittelte ein (entsprechend den Ausschreibungsunterlagen) qualifiziert elektronisch signiertes Angebot per E-Mail.
Anschließend erging die Zuschlagsentscheidung zugunsten einer Mitbewerberin. Dagegen brachte die ASt aufgrund diverser Rechtswidrigkeiten einen Nachprüfungsantrag beim BVwG ein. Im Zuge des Nachprüfungsverfahrens bestätigte sich zudem die Vermutung der ASt, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin ihr Angebot nicht qualifiziert elektronisch signiert, sondern bloß handschriftlich unterschrieben und eingescannt habe.
Das BVwG entschied daraufhin zu Recht, dass das Angebot der mitbeteiligten Partei elektronisch signiert hätte werden müssen. Da das Erfordernis der qualifizierten elektronischen Signatur insb dazu dient, die Vollständigkeit, Echtheit und Unverfälschtheit der abgegebenen Angebote dokumentiert sicherzustellen, lag ein unbehebbarer Mangel vor. Die Zuschlagsentscheidung wurde daher für nichtig erklärt.
Praxishinweis
Für Bieter in Vergabeverfahren gilt: Im Hinblick auf die Gewährleistung der Vollständigkeit, der Echtheit und der Unverfälschtheit empfiehlt es sich, bei elektronischer Abgabe von Angeboten diese auch qualifiziert elektronisch zu signieren; auch wenn das Vergabeverfahren außerhalb eines elektronischen Vergabeportals abgewickelt wird.
Glosse
Gegenständlich hatte sich das BVwG mit einer sehr ungewöhnlichen (und an sich unzulässigen) Vorgangsweise auseinanderzusetzen: In einem Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung im Oberschwellenbereich wurden die Bieter dazu aufgefordert, ihr Letztangebot per E-Mail abzugeben. Zuvor war das Vergabeverfahren aber noch über ein e-Vergabeportal abgewickelt worden. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin kam dieser Aufforderung so nach, dass sie ein handschriftlich signiertes Angebot an die vorgegebene E-Mail-Adresse übermittelte. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin gab im nachgelagerten Nachprüfungsverfahren an, dass die Möglichkeit einer qualifizierten elektronischen Signatur den Teilnehmern eines Vergabeverfahrens nicht bekannt sei und aus diesem Grund auch nicht vorgenommen wurde.
Zusätzlich brachte sie im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren vor, dass die Aufforderung zur Angebotsabgabe per E-Mail ein ausdrückliches Abgehen vom Erfordernis der qualifizierten elektronischen Signatur darstelle. Dabei ist zu beachten, dass eine von den bisherigen Ausschreibungsbestimmungen abweichende Festlegung iSd § 2 Z 15 BVergG den Anforderungen einer Willenserklärung gem § 863 ABGB entsprechen muss. Ein stillschweigendes Abgehen ist nur möglich, wenn die Handlung des AG mit Überlegungen aller Umstände keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln übriglässt, dass er vom bereits bestandsfesten Signaturerfordernis abgewichen wäre. Die bloße Erklärung, das Letztangebot sei per E-Mail einzureichen, genügt dem aber nicht. Schließlich kann ein elektronisches Angebot per E-Mail ebenso mit der bestandsfest erforderlichen Signatur versehen werden, wie dies gegenständlich von der ASt auch erfolgt ist. Das BVwG hat daher richtigerweise erkannt, dass von der Forderung einer qualifizierten elektronischen Signatur nicht abgegangen wurde.
Zusammenfassend begründet das BVwG die Entscheidung auf Grundlage der Bestandsfestigkeit der ursprünglichen Ausschreibungsunterlagen, die die Abgabe eines qualifiziert elektronisch signierten Angebots explizit forderten und gemäß dem Aufforderungsschreiben zur Angebotsabgabe explizit in Geltung blieben. Unabhängig davon bedarf es für das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur aber keiner solchen expliziten Festlegung - va nicht im Oberschwellenbereich. Die Pflicht, jedes Angebot elektronisch qualifiziert zu signieren, ergibt sich bereits ex lege aus § 48 BVergG. Angesichts des Zwecks dieser Regelung, nämlich die Vollständigkeit, Echtheit und Unverfälschtheit des übermittelten Angebots zu gewährleisten, ist im Lichte dieser Bestimmung uE jedes Angebot (unabhängig von Schwellenbereich, Verfahrensart und digitaler Übermittlungsmethode) mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Um als Bieter die Gefahr eines Auftragsentgangs zu vermeiden, empfiehlt es sich daher, Angebote im Zuge von öff Vergabeverfahren auch bei einer "unüblichen" Übertragung per E-Mail elektronisch zu signieren. Nur dadurch kann die Vollständigkeit, Echtheit und Unverfälschtheit des Angebots gewährleistet bzw letztlich ein Ausscheiden vermieden werden.