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Totalunternehmerauftrag: Ist die Planung nur eine untergeordnete Nebenleistung ohne Rechte?

 

derPlan 05/2024, Seite 4 - wien.arching.at

Bei einem Totalunternehmer(TU)-Auftrag wird das gesamte Bauvorhaben erfahrungsgemäß einem finanzstarken Konsortium übertragen. Hintergrund von TU-Aufträgen ist meist eine geringe Risikobereitschaft bzw ein hohes Sicherheitsbedürfnis des Auftraggebers. Einsatzgebiet der TU-Aufträge sind daher komplexe Bauvorhaben mit hoher Verantwortung.

Jede Bauaufgabe birgt zwingend Risiken in sich, die – bei Beauftragung eines TU – zwar verlagert, aber nicht verhindert werden können. Anstatt das übliche Bauherrenrisiko in vollem Umfang selbst zu tragen und am Ende mit Stolz ein „eigenes“ erfolgreiches Projekt präsentieren zu können, wird das Risiko auf den TU und dessen Subunternehmen abgewälzt. Dies ist bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht kostenfrei, weswegen ein Bauvorhaben als TU-Projekt zwangsläufig mehr kostet als eine Beauftragung in Einzelgewerken. Es mag dann seltsam anmuten, wenn ein Bauherr ein erfolgreiches TU-Großprojekt promotet, zumal er wenig eigenen Koordinierungsaufwand dazu beigetragen und bewusst Risiko und Verantwortung auf Dritte übertragen hat. In der Praxis werden gelungene TU-Projekte aber gerne vom Bauherrn als eigener Erfolg vereinnahmt. Missglückte Projekte können dagegen in die Verantwortung des TU abgeschoben werden.

Für Planungsleistungen stellt der TU-Auftrag aber ein viel größeres Problem dar. Während die klassische Vergabe von Einzelgewerken auf einer bereits gut durchdachten Planungslösung erfolgt, wird der TU beauftragt, die Planung quasi nebenher „mitzumachen“. Kürzlich wurde dieses Phänomen im Projekt Ernst-Happel-Stadion erkennbar. Dort vertrat das Verwaltungsgericht Wien die Meinung, dass der Anteil der Planung in einem TU-Auftrag gemessen am Gesamtprojektvolumen nur eine „Nebenleistung“ darstellt. Außenstehende (und offenkundig auch das Gericht) betrachten zunächst nur isoliert das zwangsläufig große Auftragsvolumen eines TU-Auftrags und ziehen den Schluss: Wer mehr vom Kuchen bekommt, hat auch mehr zu sagen. Das Planungshonorar hat, gemessen am Gesamtauftragswert, immer eine untergeordnete Rolle, was allerdings bei reiflicher Überlegung nicht den Schluss zulässt, dass es im Projekt eine belanglose Nebenleistung darstellt. Jedes Projekt benötigt eine gewissenhafte Planung, um überhaupt erfolgreich realisiert zu werden. Dass die Baukosten in Verbindung zur planerischen Lösung stehen, sollte eigentlich jedem bewusst sein. Aufgrund der allgegenwärtigen Forderung eines nachhaltigen Bauens sollte auch bekannt sein, dass die Baukosten nur einen Bruchteil der Lebenszykluskosten ausmachen. Ein nachhaltiges Bauen ohne vorausschauende Planung und Projektentwicklung ist daher gar nicht möglich. Dabei ist zu betonen, dass das unternehmerische Ziel der Planung – neben einem wirtschaftlichen Erlös – vor allem die Erlangung eines „Vorzeige“-Referenzprojekts ist, weil damit der Absatz der eigenen Dienstleistung gefördert werden kann. Die Intention einer Planung beruht somit auf der Zuversicht, etwas langanhaltend Gutes zu schaffen.

Nach Ansicht des Gerichts gilt aber für TU-Verfahren: Ein interessiertes Planungsunternehmen ist nicht berechtigt, sich gegen unfaire, intransparente Ausschreibungsbestimmungen zu wehren, die dem Projekt langfristig schaden werden. Planungsleistungen sind demnach ein bloßes Anhängsel im Gesamtprojekt (oder eben eine untergeordnete Nebenleistung ohne Rechte). Dies führt dazu, dass gerade bei komplexen Großprojekten, die als TU-Auftrag vergeben werden, die Planungsleistung keinen Stellenwert hat. Die Schlagwörter „nachhaltiges Planen“ und „nachhaltiges Bauen“ wären daher für Großprojekte bedeutungslos.

Aus Sicht der Planungsbranche muss diesem Effekt des TU-Auftrags entgegengetreten werden. Bei allem Verständnis für den Wunsch, bedeutende Bauvorhaben in die Verantwortung eines qualifizierten TU zu legen, muss eine gut durchdachte Planungslösung erarbeitet werden. Eine Garantie dafür bietet aus Sicht der Interessenvertretung der seit jeher erfolgreiche Architekturwettbewerb. Ein TU-Auftrag auf Basis eines planerisch durchdachten Siegerprojekts stellt das Mindestmaß dar.

 
Sandro Huber