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Vermutung der Direktvergabe muss bekämpft werden

 

LVwG Oberösterreich 14.3.2023, LVwG-840273/23/HW in ZVB, Zeitschrift für Vergaberecht und Bauvertragsrecht (MANZ'sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH)

“Die unrichtige Mitteilung, dass ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung - anstatt wie zuvor behauptet eine Direktvergabe - durchgeführt wurde, kann die Möglichkeit zur Geltendmachung des behaupteten Verstoßes in einem Nachprüfungsverfahren nicht (mehr) beeinflussen, wenn die Mitteilung nach der Erteilung des Zuschlags erfolgt. Die richtige Mitteilung über die erfolgte Wahl der Verfahrensart "Direktvergabe" erfolgte vor Zuschlagserteilung und ermöglichte der ASt daher die Bekämpfung im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens.” (LVwG Oberösterreich 14.3.2023, LVwG-840273/23/HW)

Sachverhalt

Die AG ist eine oö Gemeinde und hat einen Dienstleistungsauftrag für die ÖBA und Leistungen gem BauKG für einen Neubau im Wege einer Direktvergabe vergeben.

Die ASt wurde von einem ZT-Büro per E-Mail eingeladen, ein formloses Angebot für die vergabegegenständlichen Leistungen zu legen und ist dem - nach einem Telefonat betreffend den Leistungsinhalt - nachgekommen. Am 29. 12. 2022 erhielt die ASt eine "Zuschlagsentscheidung" zu ihren Ungunsten. Auf telefonische Nachfrage hin wurde dem Geschäftsführer der ASt mitgeteilt, dass es sich um eine Direktvergabe handle. Am 12. 1. 2023 richtete die Rechtsvertretung der ASt ein schriftliches Auskunftsersuchen an die AG mit dem Ersuchen um Bekanntgabe der gewählten Verfahrensart, des angebotenen Gesamtpreises der erfolgreichen Bieterin sowie um Bekanntgabe, ob der Auftrag bereits erteilt wurde. Der Rechtsvertreter der AG teilte daraufhin - entgegen vorheriger Angaben - mit, dass für das gegenständliche Verfahren ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung gewählt worden sei, die Zuschlagsempfängerin einen Gesamtpreis in Höhe von Euro 124.500,- angeboten habe und der Zuschlag am 11. 1. 2023 an die erfolgreiche Bieterin erteilt worden sei.

Die ASt stellte sodann einen Antrag auf Feststellung einer rechtswidrigen Direktvergabe. Das LVwG OÖ hat diesen mit der Begründung zurückgewiesen, dass die ASt von der gewählten Verfahrensart "Direktvergabe" bereits Kenntnis hatte und daher einen Nachprüfungsantrag hätte einbringen müssen.

Eine - bloß beabsichtigte - Direktvergabe muss selbst dann, wenn der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, im Wege eines Nachprüfungsantrags bekämpft werden. Ein Feststellungsantrag ist in solchen Fällen aufgrund seiner Subsidiarität zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

[Rechtliche Beurteilung]

[...]

III.2. [...] Wie sich aus § 14 Abs 4 Oö VergRSG 2006 ergibt, ist der Feststellungsantrag nach § 12 Abs 1 Oö VergRSG 2006 als subsidiärer Rechtsbehelf konzipiert [...], wobei vom VwGH auf diese Subsidiarität auch bereits iZm einer Direktvergabe hingewiesen wurde [...]. Ob für eine ASt die Möglichkeit zur Geltend-

machung eines behaupteten Verstoßes in einem Nachprüfungsverfahren bestanden hat, ist im Einzelfall anhand der Umstände des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen [...].

III.3.1. Im vorliegenden Fall wurde die ASt bereits im Oktober 2022 zur Angebotslegung eingeladen, wobei der ASt mehrere Unterlagen übermittelt wurden, aus welchen sich ua die geschätzten Baukosten bzw Errichtungskosten ergeben. Weiters wurde in der E-Mail betreffend die Einladung zur Angebotslegung ausgeführt, dass die Leistungen der örtlichen Bauaufsicht nach Vorgabe vom Land nach dem Oö Gemeindevertrag angeboten werden müssen, wobei dieser beigefügt wurde und in diesem Vertrag eine Honorartafel vorhanden ist. Zudem enthielt diese E-Mail als Anlage Pläne und eine Projektbeschreibung. Die ASt legte in weiterer Folge auch selbst ein Angebot. Die ASt hatte daher jedenfalls Kenntnis von den auftragsgegenständlichen Leistungen.

Mit Schreiben vom 22. 12. 2022, welches die ASt tatsächlich am 29. 12. 2022 erhalten hat, wurde der ASt von der AG mitgeteilt, dass beschlossen wurde, den verfahrensgegenständlichen Auftrag an die S GmbH zu vergeben. Am 29. 12. 2022 fand ein Telefonat statt, in welchem dem Geschäftsführer der ASt ausdrücklich mitgeteilt wurde, dass es sich bei der gegenständlichen Auftragsvergabe um eine Direktvergabe handelt. Selbst wenn man daher davon ausgeht, dass die ASt nicht bereits aufgrund der E-Mail vom Oktober 2022 Kenntnis von der Verfahrenswahl hatte [...], so hatte die ASt jedenfalls aufgrund der diesbezüglichen ausdrücklichen Mitteilung ab 29. 12. 2022 Kenntnis von der gewählten Verfahrensart "Direktvergabe".

Da im vorliegenden Fall die Zuschlagserteilung erst am 11. 1. 2023 erfolgte, hatte die ASt sohin jedenfalls bereits mehr als 10 Tage (vgl § 4 Abs 2 Oö VergRSG 2006) vor der Erteilung des Zuschlags Kenntnis von der Wahl der Verfahrensart "Direktvergabe" und vom Leistungsinhalt dieser Auftragsvergabe. Die ASt hätte daher den behaupteten Verstoß bereits im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens geltend machen können, sodass der gegenständliche Feststellungsantrag gem § 14 Abs 4 Oö VergRSG 2006 unzulässig ist.

III.3.2. An diesem Ergebnis ändert auch das Vorbringen der ASt nichts:

Die ASt führt zwar mit Recht aus [...], dass ihr gegenüber unterschiedliche Verfahrensarten bekannt gegeben worden wären, nämlich zunächst, dass eine Direktvergabe erfolge (Telefonat am 29. 12. 2022) und dann in weiterer Folge, dass es sich um ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung handle (Schreiben vom 13. 1. 2023). Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die unrichtige Mitteilung (Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung) erst mit Schreiben vom 13. 1. 2023, sohin nach Erteilung des Zuschlags, erfolgt ist. Diese (unrichtige) Mitteilung vom 13. 1. 2023 konnte daher die Möglichkeit zur Geltendmachung des behaupteten Verstoßes in einem Nachprüfungsverfahren nicht (mehr) beeinflussen. Die richtige Mitteilung über die erfolgte Wahl der Verfahrensart "Direktvergabe" erfolgte hingegen bereits im Telefonat vom 29. 12. 2022 (also vor Zuschlagserteilung) und ermöglichte der ASt daher die Bekämpfung im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens. [...]

Die ASt führt zudem aus, dass die aufgezeigte Rechtswidrigkeit, nämlich die Zuschlagserteilung unter Missachtung des zulässigen Schwellenwerts, erst durch die Zuschlagserteilung eingetreten sei bzw dass die ASt erst nach der Zuschlagserteilung vom vergebenen Auftragswert Kenntnis erhalten habe [...]. Dazu ist zunächst auszuführen, dass für die Zulässigkeit der (Wahl des Vergabeverfahrens) "Direktvergabe" der geschätzte Auftragswert maßgeblich ist [...], im Übrigen wurde dem Geschäftsführer der ASt vom Bürgermeister der AG auch bereits telefonisch der Preis der Bestbieterin mitgeteilt. Da die ASt im vorliegenden Fall bereits mehr als 10 Tage vor der Zuschlagserteilung Kenntnis von den konkreten auftragsgegenständlichen Leistungen inklusive des Oö Gemeindevertrags und sogar selbst ein Angebot abgegeben hatte, hätte die ASt die behauptete (potenzielle) Rechtswidrigkeit, nämlich die Durchführung eines Vergabeverfahrens in Form einer Direktvergabe, auch bereits in einem Nachprüfungsverfahren geltend machen können. Dass dies für die ASt auf Basis der ihr vor Zuschlagserteilung vorgelegenen Informationen tatsächlich möglich war, zeigt sich im vorliegenden Fall konkret auch daran, dass die ASt in der verfahrenseinleitenden Eingabe vom 23. 1. 2023 auf Basis der ihr im Oktober 2022 übermittelten Unterlagen ein substantiiertes Vorbringen dahingehend erstatten konnte, dass die Auftraggeberseite "jedenfalls davon ausgehen [musste], dass der geschätzte Auftragswert die Grenze gem § 46 Abs 2 BVerG überschreiten wird" [...].

Im Übrigen wurde dem Geschäftsführer der ASt in einem Telefonat am 29. 12. 2022 auch angeboten, dass weitere Auskünfte erteilt werden, wobei auch eine Auskunft gegeben worden wäre, wie die Berechnung des geschätzten Auftragswerts vonstatten gegangen ist. Der Geschäftsführer der ASt hat sich trotz der angebotenen Auskünfte (in der Folge) aber nicht mehr gemeldet.

III.3.3. Der Vollständigkeit halber sei idZ auch erwähnt, dass vom Geschäftsführer der ASt die wahrscheinliche Beeinspruchung bereits in einem Telefonat am 29. 12. 2022 angesprochen wurde. Tatsächlich wurde in der Folge allerdings die Einbringung eines Nachprüfungsantrags bis zur Zuschlagserteilung unterlassen und es wurde erst am 23. 1. 2023 ein Feststellungsantrag eingebracht.

III.3.4. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die ASt jedenfalls bereits mehr als 10 Tage vor der Erteilung des Zuschlags Kenntnis vom gewählten Vergabeverfahren hatte und auch den behaupteten Verstoß bereits im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens hätte geltend machen können, sodass der gegenständliche Feststellungsantrag gem § 14 Abs 4 Oö VergRSG 2006 unzulässig und zurückzuweisen ist. [...]

III.3.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Glosse

Im gegenständlichen Verfahren entschied das LVwG OÖ, dass der Feststellungsantrag aufgrund der Subsidiarität zum Nachprüfungsantrag zurückzuweisen war.

Nicht von Relevanz war der Umstand, dass die ASt als die AG die Wahl des Vergabeverfahrens (Direktvergabe) telefonisch mitgeteilt hat, nicht ahnen konnte, dass der Auftragswert für diesen Verfahrenstypus auch vom erfolgreichen Bieter um knapp 25 % überschritten werden wird und dass die Kostenschätzung, die der Wahl des Vergabeverfahrens zugrunde lag, unrealistisch nieder war. Erst mit der Bekanntgabe der Auftragserteilung offenbarte sich der vermeintlich rechtswidrige Vorgang.

Folgt man dem Ansinnen des LVwG OÖ hätte die ASt die Wahl der Direktvergabe mittels Nachprüfungsantrag ohne substantiiertes Vorbringen bekämpfen müssen. Die AG hätte aber jederzeit von der Beauftragung im Wege einer Direktvergabe absehen können, womit der Nachprüfungsantrag ins Leere gegangen wäre. Da bei Direktvergaben keine Bekanntmachung nötig ist, bedarf es auch keines Widerrufs. Das Rechtsmittel eines Nachprüfungsantrags ist aus praktischer Sicht nur dort relevant, wo die AG ein Vergabeverfahren förmlich in Gang setzt und dies für einen Rechtsschutzsuchenden auch erkennbar und überprüfbar ist, sohin im Zuge einer dokumentierten Bekanntgabe über die Einleitung eines Vergabeverfahrens.

Im ggst Fall wurde zudem nach Zuschlagserteilung auf ausdrückliche Anfrage, um welches Vergabeverfahren es sich gehandelt habe, seitens der AG sogar widersprüchlich ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung angegeben. Insofern war sich die AG über ihr Handeln offenkundig selbst nicht im Klaren. Dennoch ging das LVwG OÖ davon aus, dass es die ASt besser wissen und die zuerst behauptete Direktvergabe vor Beauftragung bekämpfen hätte müssen.

Im konkreten Fall hat die AG während des anhängigen Feststellungsverfahrens von der bereits erfolgten Beauftragung formlos wieder abgesehen und ist vom Auftrag mit dem vermeintlich erfolgreichen Bieter zurückgetreten.

IdZ ist fraglich, wie das LVwG OÖ entschieden hätte, wenn die ASt nach Bekanntwerden der beabsichtigten Direktvergabe, aber noch vor der Beauftragung ein Nachprüfungsverfahren gegen die Wahl des Vergabeverfahrens eingeleitet hätte. Auch wenn der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Nachprüfungsantrags zur Bekämpfung der Wahl einer Direktvergabe zugesteht, so scheitert das System an der praktischen Anwendbarkeit. Nach Ansicht des LVwG OÖ müsste ein Bieter zwingenderweise jede auch nur vermeintlich beabsichtigte Direktvergabe - sei der Zuschlag auch noch gar nicht erteilt worden - im Wege eines Nachprüfungsverfahrens bekämpfen. Dem Feststellungsantrag wird dadurch jede Daseinsberechtigung entzogen. Ein Nachprüfungsantrag ins Blaue wird zudem wenig erfolgreich sein, weil der AG die behauptete Absicht der Direktvergabe mit Leichtigkeit (erfolgreich) in Abrede stellen kann.

Die ASt entschied sich im ggst Fall bedauerlicherweise gegen die Erhebung eines Rechtsmittels an den VwGH und ließ die Angelegenheit auf sich beruhen, wozu vermutlich auch der Vertragsrücktritt zum vermeintlich erfolgreichen Bieter und die angekündigte Neuausschreibung beigetragen hat.

 
Sandro Huber