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Keine rechtzeitige Nachreichung bei bloßem Hochladen und Speichern von Unterlagen auf der e-Vergabeplattform

 

BVwG 05.09.2022, W139 2256350-1 in ZVB, Zeitschrift für Vergaberecht und Bauvertragsrecht (MANZ'sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH)

Soll die ‘zuständige Instanz’ die Unterlagen prüfen bzw bearbeiten, so müssen die betreffenden Unterlagen nach deren Übergabe bzw nach deren Abgabe auch tatsächlich zur Verfügung stehen, sodass sie darauf tatsächlich Zugriff hat. Der gesamte Abgabeprozess ist erst dann als abgeschlossen zu betrachten, wenn die zu übermittelnden Daten für die AG zugänglich sind. Nur dann sind sie iS der gesetzlichen Vorgaben für den Einsatz elektronischer Kommunikation in den elektronischen Verfügungsbereich der AG gelangt. Der Bewerber bzw Bieter hat für das rechtzeitige Einlangen bei der AG - mag sich diese auch eines Nebenbeschaffungsdienstleisters bedienen - Sorge zu tragen (BVwG 05.09.2022, W139 2256350-1)

Sachverhalt

Die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark (kurz: AG) schrieb die Leistung "Rahmenvereinbarung Planerleistungen" in zwei Losen in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung aus. Bei Los 1 handelte es sich um die Fachplanung für die technische Gebäudeausrüstung, bei Los 2 um die Örtliche (Fach-)Bauaufsicht und BauKG. Für das Verfahren vor dem BVwG war Los 1 gegenständlich.

Die ASt wurde nach Ende der Teilnahmefrist aufgefordert, ein den Mindestanforderungen entsprechendes Referenzprojekt über das elektronische Vergabeportal der AG nachzureichen. Vor Ablauf der gesetzten Frist hat die ASt die nachzureichenden Unterlagen auf das elektronische Vergabeportal hochgeladen und anschließend durch Betätigen der Schaltfläche "Speichern" diese dort abgespeichert. Die Schaltfläche "Senden" war nach dem Betätigen der Schaltfläche "Speichern" nicht mehr ersichtlich. Jene von der ASt hochgeladenen Daten wurden auf dem Vergabeportal nach dem Speichern mit dem Hash-Wert der betreffenden Dateien, Datum und die Uhrzeit versehen, zudem wurde der Status "in Arbeit" angezeigt.

Die AG teilte der ASt in der Folge mit, dass ihr Teilnahmeantrag nicht zugelassen werden kann, da die geforderte Nachreichung nicht erfolgt sei. Es stellte sich heraus, dass die Daten durch bloßes Speichern zwar am Vergabeportal gesichert abgelegt, aber der AG nicht zugänglich waren.

Die ASt brachte sodann einen Nachprüfungsantrag gegen die Ausscheidensentscheidung ein. Das BVwG wies den Nachprüfungsantrag ab. Die ASt hat eine aoRev an den VwGH erhoben.

Entscheidungsgründe

[Rechtliche Beurteilung]

[...]

3.3. Inhaltliche Beurteilung

[...] Am 13. 6. 2022 wurden von der ASt durch Betätigen der Schaltfläche "Speichern" die nachzureichenden Unterlagen auf der e-Vergabeplattform des Vergabeportals hochgeladen und abgespeichert. Die Schaltfläche "Senden" wurde von der ASt nicht betätigt. Am 15. 6. 2022 wurde der ASt die Entscheidung der "Nicht-Zulassung zur Teilnahme" [...] übermittelt, da bis zum Ende der gesetzten Frist keine Nachreichung eingelangt sei. Unmittelbar nach dem Einlangen dieses Schreibens setzte sich die ASt mit dem Support des Vergabeportals in Verbindung. Unter Anweisung eines Support-Mitarbeiters des Vergabeportals wurden sodann die am 13. 6. 2022 abgelegten Daten durch Betätigen der Schaltfläche "Senden" gesendet. In der Folge konnte die AG Einsicht in die Daten nehmen. Es ist daher zu prüfen, ob die Nicht-Zulassung zur Teilnahme zu Recht erfolgte.

Die ASt hat diese Entscheidung der AG vom 15. 6. 2022 vor dem BVwG im Wesentlichen mit der Begründung angefochten, dass die ASt das erforderliche Eignungsreferenzprojekt zweifelsfrei rechtzeitig am ANKÖ-Vergabeportal hochgeladen habe. Mit dem Speichern seien die hochgeladenen Daten mit einem unveränderlichen Hash-Wert versehen worden. Das Hochladen sei entsprechend den Erläuterungen zum BVergG 2018 als Übermittlung an den AG anzusehen.

Demgegenüber führt die AG ins Treffen, dass der Hash-Wert allein nichts darüber aussage, in wessen Verfügungsbereich die Daten gelangt seien. Die ASt habe die Daten vorliegend lediglich hochgeladen und gespeichert, aber nicht gesendet. Dieser Entwurf sei in jede Richtung bearbeitbar und habe die Sphäre des Bewerbers nachweislich nicht verlassen. Der Gesetzgeber verstehe unter "Upload" den gesamten Vorgang des Absendens. Erforderlich sei, dass der AG von den Daten Kenntnis erhalte bzw die Daten in dessen Machtbereich gelangen.

3.3.2. Zum Ausscheidensgrund der mangelnden Eignung gem § 141 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 und zur Nichterteilung von Auskünften betreffend die Eignung gem § 78 Abs 1 Z 10 BVergG 2018

[...]

Soweit [...] in den Teilnahmeunterlagen auch auf das "Hochladen" bzw "Uploaden" abgestellt wird, ist der ASt zwar zuzugestehen, dass auch in den Erläuterungen zu § 48 BVergG 2018 vom "Hochladen" bzw "Upload" der Informationen gesprochen wird. Der Gesetzgeber stellt an dieser Stelle aber auch klar, dass es sich hierbei um die Übermittlung iSd Abs 4 leg cit handelt. Informationen gelten iSd § 48 Abs 4 BVergG 2018 allerdings erst dann als übermittelt, wenn die Sendung in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt ist. Dies erfordert nach der Rsp des VwGH, dass der Empfänger tatsächlich auch Zugang zu dem Speicherbereich hat, in dem die Daten hochgeladen wurden. Ein Speicherbereich, zu welchem der Empfänger keinen Zugang hat, kann demnach nicht als sein "elektronischer Verfügungsbereich" verstanden werden (VwGH 31. 7. 2013, 2009/13/015). Diese Rsp des VwGH zu § 98 BAO kann auch auf die Rechtslage nach dem BVergG übertragen werden.

[...]

Die maßgeblichen Bestimmungen der Teilnahmeunterlagen sind [...] in deren Zusammenschau für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bzw Bewerber bei Anwendung der üblichen Sorgfalt bereits nach deren objektivem Erklärungswert dahingehend auszulegen, dass der gesamte Abgabeprozess erst dann als abgeschlossen zu betrachten ist, wenn die zu übermittelnden Daten für die AG zugänglich sind. Nur dann sind sie iS der gesetzlichen Vorgaben für den Einsatz elektronischer Kommunikation in den elektronischen Verfügungsbereich der AG gelangt.

Vor diesem Hintergrund kommt eine isolierte Betrachtung bzw Auslegung des Wortes "Hochladen" iS des bloßen Ab- bzw Zwischenspeicherns auf dem Server des Nebenbeschaffungsdienstleisters nicht in Betracht. Und selbst bei gesetzeskonformer Auslegung verbietet es sich, allein auf den Vorgang des "Hochladens" abzustellen, ohne das Erfordernis, dass die Daten den elektronischen Verfügungsbereich des Absenders verlassen und jenen des Empfängers erreicht haben müssen, zu berücksichtigen. Nur wenn daher auch der Vorgang des "Hochladens" iS der vorangehenden Überlegungen abgeschlossen und vom Bieter bzw Bewerber ohne weitere Änderungsmöglichkeit "freigegeben" wurde, kann daher, wie von der AG festgelegt, auch der Vorgang des "Einreichens" bzw der "Abgabe" als endgültig und abgeschlossen qualifiziert werden. Demgemäß wird in den Teilnahmeunterlagen bzw im Mängelbehebungsauftrag auch das Risiko des rechtzeitigen Einlangens dem Bewerber übertragen; demnach müssen der Teilnahmeantrag und allfällige Nachreichungen in den Verfügungsbereich der AG gelangen, andernfalls sie eben nicht bei der AG "eingelangt" sind. Der Bewerber bzw Bieter hat für das rechtzeitige Einlangen bei der AG - mag sich diese auch eines Nebenbeschaffungsdienstleisters bedienen - Sorge zu tragen.

In der vorliegenden Konstellation war das Vergabeverfahren [...] ausschließlich über die von der AG bezeichnete Vergabeplattform abzuwickeln. Wie aus der - unbestritten gebliebenen - Darstellung der betreffenden e-Vergabeplattform eindeutig ersichtlich ist, stellt das bloße Abspeichern durch Betätigen der Schaltfläche "Speichern" einen bloßen Zwischenschritt dar. Die betreffenden Daten können danach vom Bieter bzw Bewerber weiterhin bearbeitet werden. Sie befinden sich demnach weiterhin im Verfügungsbereich des Bieters bzw Bewerbers. Erst mit der Betätigung der Schaltfläche "Senden" verlassen die Daten den Verfügungsbereich des Unternehmers und stehen am Server des Nebenbeschaffungsdienstleisters der AG zur weiteren Prüfung zur Verfügung.

[...] Mit dem bloßen "Speichern" durfte die ASt [...] nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass die AG bereits Zugang zu den "hochgeladenen" Daten hat. Vielmehr war die ASt [...] angehalten, sich mit der besonderen Oberfläche und den Funktionen der betreffenden Vergabeplattform rechtzeitig auseinander zu setzen und ihren Sorgfaltspflichten entsprechend bei Bedarf die Support-Hotline zu kontaktieren. [...]

3.3.3 Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die ASt dem Ersuchen um Übermittlung einer den Anforderungen der Teilnahmeunterlagen gerecht werdenden Unternehmensreferenz nicht fristgerecht nachgekommen ist. Erst nach Bekanntgabe der hier angefochtenen Entscheidung der "Nicht-Zulassung zur Teilnahme" veranlasste sie das Absenden der Unterlagen an die AG. Die ASt hat die Eignung sohin nicht entsprechend den Vorgaben der Teilnahmeunterlagen zum eignungsrelevanten Zeitpunkt nachgewiesen. Die unterlassene Erteilung von Auskünften zur Eignung bzw die unterlassene Vorlage der geforderten Eignungsnachweise stellt nach der Rsp des VwGH einen zwingenden Ausscheidensgrund dar. Die ASt hat damit den Ausscheidensgrund des § 141 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 verwirklicht. Die "Nicht-Zulassung zur Teilnahme" erfolgte infolgedessen zu Recht.

[...]

Glosse

Das BVwG entschied im gegenständlichen Fall, dass die von der ASt übermittelten Unterlagen nicht fristgerecht in den Verfügungsbereich der AG gelangt sind. Das BVwG vertritt die Ansicht, dass Unterlagen - auch wenn sie bereits am Server des e-Vergabeportals (Nebenbeschaffungsdienstleister) gespeichert wurden - vor dem Betätigen der Schaltfläche "Senden" immer noch im Verfügungsbereich des Bieters bzw Bewerbers sind, und dies selbst dann, wenn sie nachweislich am Server des Nebenbeschaffungsdienstleisters gespeichert sind. Die nachgereichten Unterlagen würden erst nach der Betätigung der Schaltfläche "Senden" am Server des e-Vergabeportals der AG zur Verfügung stehen und somit den Verfügungsbereich des Bieters bzw Bewerbers verlassen. Die ausschreibungsgegenständlichen Begrifflichkeiten "Hochladen" und "Upload" könnten nach dem objektiven Erklärungswert nur derart ausgelegt werden, dass die Unterlagen erst dann als im Verfügungsbereich des AG eingelangt gelten, wenn dieser tatsächlich Zugang zu diesen habe. In diesem Zusammenhang verwies das BVwG auf die Entscheidung des VwGH 31. 7. 2013, 2009/13/0105, wonach es erforderlich sei, dass der Empfänger Zugang zum Speicherbereich hat, in welchem die Dateien hochgeladen wurden. Sofern der Empfänger keinen Zugang zu den Unterlagen hätte, könnten diese nicht in seinem elektronischen Verfügungsbereich sein. Das BVwG übersieht uE allerdings, dass die genannte Entscheidung des VwGH für den gegenständlichen Fall nicht einschlägig ist, zumal die fristauslösende Zustellung eines Behördenstücks in der Databox von Finanzonline gegenständlich war. In der gegenständlichen Entscheidung war allerdings zu beurteilen, ob die übermittelten Daten fristwahrend beim AG eingelangt sind.

Damit überhaupt ein HASH-Wert für entgegengenommene Daten erzeugt werden kann, müssen Daten zwingend in den Verfügungsbereich des e-Vergabeportals gelangen. Dass dies aus Sicht des BVwG nicht für die fristgerechte Übermittlung von Daten ausreicht, überrascht, zumal den Erläuterungen zum § 48 Abs 4 BVergG zufolge das Hochladen von Informationen auf den Server des Nebenbeschaffungsdienstleisters dem Verfügungsbereich des AG zugerechnet wird und somit der Upload der Informationen als Übermittlung an den AG anzusehen ist. Aus welchem Grund ein zusätzliches "Übersenden" bzw Freigeben der Unterlagen nach dem Hochladen auf den Server erforderlich sein soll, obwohl dies weder vom Gesetzgeber noch in den bestandfesten Teilnahmebestimmungen vorgesehen war, ist nicht nachvollziehbar. Insofern liegt nahe, dass die Programmierung der Software, welche ein zusätzliches "Senden" trotz bereits erfolgter Datenentgegennahme erfordert, nicht den Intentionen des Gesetzgebers entspricht. Dies kann sohin nicht als Bedienungsfehler eingestuft werden.

Es bleibt nun abzuwarten, ob der VwGH die Entscheidung des BVwG bestätigt oder doch der Auffassung der ASt folgt, dass die Datenübermittlung durch die Entgegennahme der Daten seitens des e-Vergabeportals durch Erzeugen des HASH-Werts nachweislich und gesetzmäßig abgeschlossen ist und damit der softwarebedingte "Bedienungsfehler" zulasten der AG bzw deren Nebenbeschaffungsdienstleister geht.

 
Sandro Huber