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Baumängel – Rundumschlag für einen großen Haftungspool?

 

Monatsbrief Initiative Baukunst 08/2023

Kommt es bei der Errichtung eines Bauwerks zu Baumängeln ist der Bauherr verständlicherweise daran interessiert, auf möglichst viele potenziell Verantwortliche zugreifen zu können. Hat der Bauherr einzelne Gewerkeunternehmen beauftragt, kann die Suche nach dem Verantwortlichen aufwendig werden aber auch einen großen Haftungspool darstellen.

Fehler entstehen in vielen Fällen durch eine mangelhafte Koordination. Vorleistungen werden nur mangelhaft geprüft und unter Zeitdruck werden Arbeiten ausgeführt, obwohl das Vorgewerk seine Arbeiten noch nicht abgeschlossen hat. Sofern der Bauherr sämtliche Gewerke einzeln vergeben hat, ist er für die Koordination des Bauablaufs grundsätzlich selbst verantwortlich. Die einzelnen Gewerke sind allerdings nicht von jeglicher Abstimmung untereinander entbunden. Nach der Judikatur hat nämlich ein „technischer Schulterschluss“ zwischen den am Bauablauf Beteiligten stattzufinden (RIS-Justiz, RS0021880). Dies bedeutet, dass sich die Beteiligten untereinander zu koordinieren haben und eine Kooperation aller Beteiligten bei der Herstellung des Gesamtwerkes vorausgesetzt wird. Dies umfasst auch Warnpflichten oder gegenseitige Aufklärungs- und Kontrollpflichten. Dadurch kommt es gerade bei Arbeiten an den Schnittstellen von einem Gewerk zum anderen (zB Abdichtungsmaßnahmen) häufig zu einer gewerkeübergreifenden Verantwortung bei mangelhafter Errichtung.

Wenn für überwachende und koordinierende Aufgaben Dritte, wie zB eine Örtliche Bauaufsicht oder Projektsteuerung, herangezogen werden, wägt sich der Bauherr beim Aufkommen von Baumängeln gerne auf der sicheren Seite und zieht auch diese Dienstleister zur Verantwortung. Aus Sicht des Bauherrn erscheint es ein Leichtes zu sein, der örtlichen Bauaufsicht den Vorwurf zu machen, sie hätte die mangelhafte Errichtung schon früher erkennen und eingreifen müssen. Selbiges gilt für die Projektsteuerung, die nach den Vorstellungen mancher Bauherrn die Kontrolle über jegliches Baugeschehen vertraglich übernommen hat. Oft wurden günstige Bauunternehmen beauftragt, die nicht bis zum Ende des Bauvorhabens, und noch weniger bis zum Ende der Gewährleistungsfrist, wirtschaftlich durchhalten. Unter Androhung hoher Schadenersatzforderungen sollen dann die Haftpflichtversicherungen aller Beteiligten das Füllhorn für den Bauherrn öffnen.

Die Verantwortung der örtlichen Bauaufsicht bzw einer Projektsteuerung für Baumängel wird aber in den seltensten Fällen tatsächlich durchsetzbar sein. Für eine mangelhafte Errichtung eines Bauwerks ist primär das ausführende Unternehmen selbst verantwortlich. Jene Unternehmen, die kontrollierende und überwachende Funktionen ausüben, können sich auf die fachgerechte Ausführung der Arbeiten verlassen und müssen nur dort einschreiten, wo ihnen ein Fehler erkennbar ist (OGH 29.01.2008, 1 Ob 238/07t). Es kann von der Örtlichen Bauaufsicht nicht verlangt werden, dass sie rund um die Uhr auf der Baustelle sein muss und jegliche Bautätigkeit kontrolliert(OGH 22.03.2016, 5 Ob 143/15p). Zudem sieht kein branchenüblicher Projektsteuerungsvertrag die Überwachung und Kontrolle der ausführenden Unternehmen vor (OGH 16.12.2022, 8 Ob 111/22i). Hinzu kommt, dass die Honorare der Dienstleister zumeist in keinem Verhältnis zur Schadensumme stehen. Eine Übernahme der Haftung für „teure“ Ausführungsmängel bei gleichzeitig unverhältnismäßig geringem Dienstleistungshonorar kann nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden. Deswegen wird die Bauaufsicht bzw Projektsteuerung vernünftigerweise nicht für eine Mangelfreiheit garantieren.

Auch wenn die Androhung einer Haftungsübernahme für Baumängel verteilt auf möglichst viele Projektbeteiligte auf den ersten Blick das Haftungsrisiko auf Seiten des Bauherrn minimieren sollen, führt dies langfristig gesehen – insbesondere auch im Hinblick auf ein mögliches späteres Gerichtsverfahren – nur dazu, dass dem Bauherrn wertvolle Informationen abhandenkommen. Ehemals als rechte Hand des Bauherrn tätige Unternehmen, wie die Örtliche Bauaufsicht oder Projektsteuerung, werden bei der Androhung hoher Schadenersatzforderungen nicht mehr gewillt sein, an der Suche des tatsächlich Verantwortlichen mitzuwirken. Einem Bauherrn ist daher mehr geholfen, nach Aufkommen von Baumängeln eine kooperative Zusammenarbeit mit seinen Kontrollorganen einzugehen, anstatt auf deren Versicherung zu schielen.

 
Brigitte Berchtold