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Rahmenvereinbarung für "alle" Planungsleistungen im Burgenland - vollständig nichtig

 

LVwG Burgenland 12.9.2023, S VNP/13/2023.002/032 in ZVB, Zeitschrift für Vergaberecht und Bauvertragsrecht (MANZ'sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH)

Einem Bewerber, der zur Erbringung der angebotenen Leistung befugt ist, ist zu unterstellen, dass er dazu in der Lage ist, sich über die gesetzlichen Bestimmungen, die bei Erbringung der auftragsgegenständlichen Leistungen einzuhalten sind (und regelmäßig im Laufe der Zeit auch Änderungen unterworfen sind), zu informieren und diese einzuhalten.

Die Vorgehensweise, dass für jedes Referenzprojekt Punkte anhand der Herstellungskosten danach differenziert vergeben werden, ob das Projekt dem Burgenländischen Baugesetz unterlag oder nicht, stellt eine versteckte Diskriminierung nicht im Burgenland ansässiger Bewerber dar und läuft damit auf eine unionsrechtswidrige Gebietsbeschränkung hinaus.” (LVwG Burgenland 12.9.2023, S VNP/13/2023.002/032)

Sachverhalt

Die LIB-Landesimmobilien Burgenland GmbH (kurz: AG) schrieb eine Rahmenvereinbarung für alle Planungsaufgaben im Burgenland (Planungsleistungen, sonstige Architektendienstleistungen und Leistungen der ÖBA für Bildungs- und Zweckbauten, Hochbauprojekte, Wohnbauprojekte und sonstige geistige Dienstleistungen iZm Bauprojekten im Burgenland) der nächsten vier Jahre aus. Der geschätzte Auftragswert betrug 60 Mio Euro.

Drei ZiviltechnikerInnen haben als künftige ARGE einen Nachprüfungsantrag eingebracht. Die Ausschreibung wurde - ohne vorangehende mündliche Verhandlung - zur Gänze für nichtigerklärt. Das LVwG Burgenland begründete dies einerseits mit der Unbestimmtheit des Auftragsgegenstands, da als Auftragsgegenstand ua "sonstige geistige Dienstleistungen von Architekten und befugten Ingenieurkonsulenten im Zusammenhang mit Bauprojekten im Burgenland" vorgesehen waren. Der Auftragsgegenstand sei - hinsichtlich der Mindestanforderungen der Leistungsbeschreibung - nicht ausreichend bestimmt gewesen. Weiters sah die Ausschreibung eine differenzierte Bepunktung von Referenzprojekten vor, abhängig davon, ob das Referenzprojekt dem Bgld BauG unterlag oder nicht. Das LVwG Burgenland erkannte darin eine versteckte Diskriminierung nicht im Burgenland ansässiger Bewerber.

Entscheidungsgründe

[Rechtliche Beurteilung]

[...]

Unbestimmtheit des Auftragsgegenstands (Mindestanforderungen)

Der letzte Punkt [des festgelegten Auftragsgegenstands] lautet: "Sonstige geistige Dienstleistungen von Architekten und befugten Ingenieurkonsulenten im Zusammenhang mit Bauprojekten im Burgenland (inklusive Projekte zum Umbau, zur Instandhaltung und zur Instandsetzung) der LIB-Gruppe und von Auftraggebern der LIB-Gruppe aus dem öffentlichen Sektor." Die ASt weist im vorliegenden Nachprüfungsantrag darauf hin, dass der Leistungsgegenstand damit zu unbestimmt sei. [...]

Die AG bringt vor, es handle sich bei den genannten "sonstigen geistigen Dienstleistungen" um jene nachrangigen Nebenleistungen, die typisch so untergeordnet seien, dass sie nicht nach Honoraransätzen der Honorarordnungen, sondern nach Stundensätzen abzurechnen seien. Das Gericht überzeugt diese Argumentation nicht, zumal die Umschreibung des Auftragsgegenstands und Honorarordnung sowie deren Interpretation in keinerlei Zusammenhang mit den Abrechnungsmodalitäten der Architekten und befugten Ingenieurkonsulenten steht. Zur Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen hat der VwGH wiederholt ausgesprochen, dass diese nach dem objektiven Erklärungswert "für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter" bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen sind [...] Die zitierte Formulierung ist derart allgemein gehalten, dass unklar ist, worauf sie im vorliegenden Fall Bezug nimmt.

Vor dem Hintergrund der zit Rechtslage und der hg Judikatur ist der Auftragsgegenstand hinsichtlich der Mindestanforderungen der Leistungsbeschreibung somit nicht hinreichend bestimmt. [...]

Unzulässige Auswahlkriterien/Beschränkung des Teilnehmerkreises

In [den Teilnahmeunterlagen] ist festgelegt, dass für jedes Referenzprojekt Punkte anhand der Herstellungskosten danach differenziert vergeben werden, ob das Projekt dem Bgld BauG unterlag oder nicht. [...]

Im Burgenland ansässige Bewerber können regelmäßig mehr im Burgenland realisierte und damit in die Anwendbarkeit des Bgld BauG fallende Referenzprojekte vorweisen als Bewerber, die in einem anderen Bundesland Österreichs oder einem anderen Mitgliedstaat der EU ansässig sind. Es liegt keine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Bewertung der Referenzprojekte vor, da auch ein Bauprojekt, das nicht im Burgenland verwirklicht wurde, jedoch alle sonstigen Anforderungen erfüllt, die Qualität des jeweiligen Bewerbers in gleichem Maße nachzuweisen vermag. Einem Bewerber, der zur Erbringung der angebotenen Leistung befugt ist, ist zu unterstellen, dass er dazu in der Lage ist, sich über die gesetzlichen Bestimmungen, die bei Erbringung der auftragsgegenständlichen Leistungen einzuhalten sind (und regelmäßig im Laufe der Zeit auch Änderungen unterworfen sind), zu informieren und diese einzuhalten.

Die beschriebene Vorgehensweise stellt eine versteckte Diskriminierung nicht im Burgenland ansässiger Bewerber im dargestellten Sinn dar und läuft damit auf eine unionsrechtswidrige Gebietsbeschränkung hinaus. [...]

Dem Nachprüfungsantrag der ASt war somit dahingehend stattzugeben, dass die ggst Ausschreibung für nichtig erklärt wird.

Somit war auf das übrige Vorbringen der ASt nicht mehr einzugehen. [...]

Glosse

Mit der ggst Rahmenvereinbarung wäre die Möglichkeit geschaffen worden, dass der öff AG in den nächsten Jahren keine gesonderten Planungsausschreibungen (wie zB Architekturwettbewerbe) hätte durchführen müssen. Für die interessierte ASt war das Risiko einer umfassenden Leistungsverpflichtung für unbekannte Planungsaufgaben ohne konkrete Beauftragungsabsicht aus wirtschaftlicher Sicht nicht kalkulierbar. Aus diesem Grund hat die ASt einen Nachprüfungsantrag eingebracht und eine Vielzahl von Rechtswidrigkeiten aufgezeigt. Das LVwG Burgenland griff in seiner Entscheidung zwei wesentliche Rechtswidrigkeiten auf:

Die Ausschreibung sah für burgenländische Referenzprojekte erhebliche Zusatzpunkte vor. Die AG begründete dies mit der Eigenheit des Bgld BauG und brachte vor, dass es ein Irrglaube sei, dass sich die einzelnen baurechtlichen Landesgesetze nur unwesentlich voneinander unterschieden. Das LVwG Burgenland entschied allerdings zu Recht, dass eine Unterscheidung von Referenzprojekten, ob sie nun dem Bgld BauG unterlagen oder nicht, eine versteckte Diskriminierung nicht im Burgenland ansässiger Bewerber darstellt, die damit auf eine unionsrechtswidrige Gebietsbeschränkung hinausläuft. Es sei befugten Anbietern immerhin zumutbar, sich über gesetzliche Bestimmungen zu informieren. Va in Anbetracht der Tatsache, dass sich ein Vergabeverfahren ab einem Auftragsvolumen von Euro 215.000,- (hier betrug das Auftragsvolumen mit 60 Mio Euro knapp das 280-Fache) an Bieter europaweit richtet, kann uE ein überregionales Interesse nicht ernsthaft verleugnet werden.

Weiters hat die AG als Teil des Auftragsgegenstands festgelegt, dass "sonstige geistige Dienstleistungen von Architekten und befugten Ingenieurkonsulenten im Zusammenhang mit Bauprojekten im Burgenland (inklusive Projekte zum Umbau, zur Instandhaltung und zur Instandsetzung)" zu erbringen seien. Was konkret unter "sonstigen" Planungsleistungen zu verstehen ist und welche Planungskompetenzen hierfür beizubringen wären, war für die interessierten Teilnehmer nicht klar. Ein Bieter muss aber für eine chancenreiche Verfahrensbeteiligung die Möglichkeit haben, bestgeeignete Partner (ARGE-Mitglieder oder Subunternehmer) zu finden. Auch wenn die Ziviltechnikerbefugnis "Architektur" eine formal sehr weit auszulegende Planungsbefugnis darstellt, so kann es mitunter zweckmäßig sein, dennoch fachlich versierte Planungspartner beizuziehen. Es ist daher nicht auf die bloße Erfüllung der Befugnis abzustellen, wenn das Ziel eines chancenreichen Angebots verfolgt wird. Auch ein befugter Bieter muss in der Lage sein, allenfalls zweckmäßige Subunternehmer namhaft zu machen, um ein chancenreiches Bestangebot zu legen. Insofern setzt das BVergG zu Recht eine hinreichende Bestellqualität des AG voraus. Eine spätere Veränderung in der Zusammensetzung des Bieters oder eine Beiziehung von Subunternehmen im laufenden Vergabeverfahren oder gar erst im Auftragsfall ist ein vergaberechtlich äußerst kritisches Unterfangen. Ein Bieter soll auch nicht gezwungen sein, sich in ein ungewisses Vergabeabenteuer zu stürzen und am Ende wegen seiner Leistungspflicht einen wirtschaftlichen Schaden erleiden zu müssen.

Die AG brachte idZ vor, dass es sich bei den "sonstigen" Planungsleistungen um nachrangige Nebenleistungen handle, die typischerweise untergeordnet seien, dass sie nicht nach den Honorarsätzen der Honorarordnungen, sondern nach Stundensätzen abzurechnen seien. Diese Argumentation überzeugte das LVwG Burgenland nicht, welches zu Recht erkannte, dass diese Formulierung derart allgemein gehalten war, dass unklar sei, worauf die AG im vorliegenden Fall Bezug nimmt.

Das LVwG Burgenland gab dem Nachprüfungsantrag aufgrund der schwerwiegenden Rechtswidrigkeiten - ohne vorangehende mündliche Verhandlung - statt und erklärte die Ausschreibung daher zu Recht zur Gänze für nichtig. Das Vergabeverfahren wurde mittlerweile widerrufen.

Ob eine Rahmenvereinbarung das richtige Instrument für die Vergabe von Planungsleistungen - somit einer geistigen Dienstleistung - ist, ist zu bezweifeln. Ohne ein konkretes Bauvorhaben vor Augen zu haben, wird ein Pool an Planern festgelegt, aus dem im Bedarfsfall geschöpft werden kann. Ein Wettbewerb mit einer konkreten Planungsaufgabe für die Suche nach der besten gestalterischen Lösung unter Einbeziehung einer Vielzahl an Planern bleibt aus. Der öff AG sollte daran erinnert werden, dass die Konkurrenzsituation zwischen Planern in einem Architekturwettbewerb dazu geeignet ist, die beste Qualität bei Planungsleistungen zu erhalten und damit eine hohe Baukultur zu fördern.

 
Sandro Huber