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Generalplanersuche mit Wettbewerb oder Verhandlungsverfahren?

 

Monatsbrief Initiative Baukunst 06/2021 - Initiative Baukunst / Newsletter

Architekturwettbewerbe waren – schon lange vor dem Bundesvergabegesetz – die erste Wahl, wenn es um die Suche nach PlanerInnen ging. Ziel ist es, stets die beste (realisierbare) Idee zu erhalten. Welche Person diese Idee liefert, steht angesichts der Anonymität der TeilnehmerInnen völlig im Hintergrund. Je höher die Anzahl an kreativen Köpfen bzw Wettbewerbsteilnehmern, umso höher liegt die Chance, das volle Potential eines Projektes auszuschöpfen. Oft sehen die Bauherren gar nicht alle Möglichkeiten, die ihr Bauvorhaben bietet und diese werden erst im Wettbewerb aufgedeckt. Aus praktischer Sicht ist daher ein offener Wettbewerb, ohne Einschränkung der Teilnehmerzahl, der Garant für die beste Idee zu einer kreativen Aufgabenstellung. Meist werden im Zuge des Kolloquiums mit den Interessenten schon Dinge angesprochen, die bislang unbeachtet blieben. Der anonyme Wettbewerb hat schon manchen bislang unbekannten Ideenlieferanten zum öffentlichen Durchbruch gebracht.  

Mit dem Bundesvergabegesetz haben sich aber auch andere Verfahrensarten etabliert, die wiederum Vor- und Nachteile mit sich bringen. Für Dienstleistungen, bei denen die Persönlichkeit und die individuellen Fähigkeiten des Dienstleisters zu bewerten sind, bietet sich besonders das Verhandlungsverfahren an. Dieses wird aber auch immer öfter für Planungsleistungen herangezogen. Ob ein Wettbewerb oder ein Verhandlungsverfahren gewählt werden soll, ist daher in erster Linie eine Frage, worauf der Bauherr fokussiert ist:

-      Will man eine Idee, um das Bauvorhaben attraktiver zu gestalten (zB günstiger im Betrieb, mehr vermietbare Flächen, ein Eyecatcher …)? In diesem Fall kann es egal sein, wer das Optimum liefert.  

-      Will man einen professionellen Abwickler der vorgegebenen Aufgabenstellung? In diesem Fall sollte man auf die Persönlichkeit und die individuellen Fähigkeiten des Dienstleisters Acht geben.  

Nach dem Bundesvergabegesetz ist streng zwischen Wettbewerb und Verhandlungsverfahren zu unterscheiden. Da der Wettbewerb weitreichende Freiheiten benötigt, um dem Ziel einer freien kreativen Lösungsfindung zu entsprechen, wurde ihm im Bundesvergabegesetz auch kaum rechtliche Grenzen gesetzt, solange die Grundsätze eines freien, fairen und lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Bei Ideenwettbewerben kann daher alles präsentiert werden. Bei Realisierungswettbewerben muss die Idee selbstverständlich realisierbar sein, womit tatsächlich eine vergaberechtliche Grenze definiert ist. Die Rechtsprechung zu Wettbewerben ist allgemein dünn gesät und beschäftigt sich nicht inhaltlich mit den gelieferten Ideen.

Das Verhandlungsverfahren ist hingegen gesetzlich streng geregelt und wird von der Rechtsprechung gleichwertig zum klassischen offenen Verfahren behandelt. Festlegungen des Auftraggebers sind strikt einzuhalten, ein Zuwiderhandeln stellt keine „kreative Idee“ dar, sondern zieht unweigerlich ein Ausscheiden des Angebots nach sich. Kurz um, das Verhandlungsverfahren ist ein gänzlich unwirtlicher Ort für kreative Lösungsansätze.

In einem aktuellen Verhandlungsverfahren zur Suche eines Generalplaners wurde der beschriebene Unterschied zum Wettbewerb deutlich erkennbar. Der Auftraggeber hat im Zuge einer Fragenbeantwortung die Entscheidung getroffen, dass vorhandene Stellplätze zu belassen sind. Der Zweitplatzierte vermutete, dass sich der Erstplatzierte nicht daran gehalten hat und die vorhandenen Stellplätze nach kreativen Ansätzen anderweitig verwertet hat. Er dürfte damit auch richtig gelegen haben. Nach Einleitung eines Verhandlungsverfahrens wurde die Zuschlagsentscheidung zurückgezogen. In einem nahezu identen Fall hat der Auftraggeber ebenso im Zuge einer Fragenbeantwortung festgelegt, dass bestimmte Bereiche eines Bauwerkes von der Planung auszunehmen sind. Ein Bieter verfolgte aber einen – seiner Ansicht nach idealen – „ganzheitlichen“ Lösungsansatz, indem er auch einen von der Planung ausgenommenen Bereich in seine Planungsidee miteinbezogen hat. Egal, ob damit vielleicht sogar die beste Lösung geschaffen wurde, es lag jedenfalls „ein, den Ausschreibungsbestimmungen widersprechendes Angebot“ (§ 141 BVergG) vor, welches auszuscheiden war.

Im Ergebnis gilt für den Auftraggeber wie auch für die potentiellen Interessenten: Beim Verhandlungsverfahren ist nicht der beste Lösungsansatz gefragt, sondern das regelkonformste Angebot und die regelkonformste Teilnahme. Wer als Teilnehmer darauf zu wenig Energie „verschwendet“, läuft Gefahr ausgeschieden zu werden. Für Planungsaufgaben wäre vermutlich der Wettbewerb weiterhin die beste Wahl, die aber ausschließlich der Auftraggeber treffen kann.

 
Sandro Huber