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Haftung für Baukosten

 

Monatsbrief Initiative Baukunst 11/2021 - Initiative Baukunst / Newsletter

Jeder Bauherr wünscht sich Kostensicherheit, am besten zum Nulltarif. Dies gilt vor allem für unternehmerisch tätige Immobilienentwickler, die ein möglichst lukratives Investment erzielen wollen. Die zu erwartenden Baukosten müssen daher für die zumeist drittfinanzierende Bank möglichst früh exakt feststehen. Bei einem zum Großteil fremdfinanzierten Immobilienprojekt sind die Kosten mit der Gewährung des Kredits gedeckelt. Der Bauherr erwartet sodann eine Kostenschätzung, noch bevor das Projekt im Detail ausgereift ist und die Pläne gezeichnet sind. Für diese erste Kostenschätzung wird im Regelfall der Architekt beigezogen, der die Errichtungskosten des Bauvorhabens anhand von Erfahrungswerten aus anderen Projekten schätzt.

Wenn die geschätzten Baukosten schließlich auch die Grundlage für das Architektenhonorar sind, hat der Bauherr ein Interesse daran, die Baukosten möglichst gering anzusetzen. Für den Immobilienentwickler ist das Planungshonorar meist der erste Kostenfaktor, der zu Buche schlägt und bis zum Start der Vermarktung eine Anfangsinvestition bzw ein echtes Risikokapital darstellt. Der planerische Aufwand ist gerade am Projektstart diffizil, weil damit der Boden für die Baubewilligung, die Vermarktung und für die tatsächliche Bauausführung geebnet werden muss. Wird das Planungshonorar nach einem Prozentsatz der Baukosten errechnet, ist es nur nachvollziehbar, wenn die Bemessungsgrundlage (vorläufige Baukosten) möglichst gering angesetzt wird und erst nach der Errichtung und Vermarktung die tatsächlichen Baukosten herangezogen werden. Dieser anfänglich nachvollziehbare Zugang, nämlich die Beibehaltung der Liquidität des Immobilienentwicklers zur Erzielung eines gemeinsamen wirtschaftlichen Erfolgs, kann rasch verblassen. Mit Fortschreiten des Projekts macht sich nach der ursprünglichen Euphorie eines neuen herausragenden Bauvorhabens oft die finanzielle Realität von überbordenden Bauherrnwünschen und überzogen erscheinenden Verkaufspreisen (Renditewünsche) bemerkbar. Nahezu bei jedem Projekt stellt sich heraus, dass die ursprünglich geschätzten Baukosten nicht zu halten sind. Anstatt nach Einsparungspotential zu suchen, werden viele Bauvorhaben trotz steigender Baukosten umgesetzt; getreu dem Motto: Es wird sich eben eine gehobenere Käuferschicht finden müssen. Am Ende wird ein Kostenverantwortlicher gesucht, wobei aus Sicht des Bauherrn oft der Architekt für die erhöhten Baukosten und damit die geringeren Renditen einstehen soll. Immerhin hat er die Baukosten ursprünglich niedriger geschätzt. Inwiefern der Architekt tatsächlich für die erhöhten Baukosten und damit für das unternehmerische Risiko des Immobilienentwicklers verantwortlich gemacht werden kann, hängt von einigen Faktoren ab.

Zunächst gilt allgemein, dass ein Architekt bei seiner Planung auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigen muss. Er hat insbesondere auf beschränkte Mittel des Bauherrn zu achten und muss innerhalb eines vorgegebenen finanziellen Rahmens möglichst kostengünstig planen (RIS-Justiz, RS0116632). Wendet man darauf die Prüf- und Warnpflicht des Auftragnehmers an, so hat der Architekt den Bauherrn darauf hinzuweisen, wenn seine Wünsche das Budget übersteigen. Dennoch gilt am Ende der Grundsatz „wer zahlt, schafft an“, sodass der Architekt als Dienstleister auch vermeintlich überzogene Wünsche seines Auftraggebers umzusetzen muss, egal ob diese finanzierbar sind.   

Eine zugesicherte Baukostenschätzung nimmt den Architekten aber nicht allzu sehr in die Pflicht. Auch wenn der Architekt vertraglich zu einer Baukostenschätzung verpflichtet ist, hat er – nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs selbst bei Missachtung dieser Pflicht – dennoch nicht für die erhöhten Kosten einzustehen, wenn der Bauherr anderweitig Kenntnis von einer Kostenerhöhung hat. Dieser Umstand ist in der Praxis relevant, wenn Immobilienprojekte zB von einer Projektsteuerung auf Termine und Kosten überwacht werden. Ebenso häufig kommt es in der Praxis vor, dass der Bauherr mit den ausführenden Unternehmen selbst verhandelt und diese beauftragt, womit einzig er die wahren Kosten im Auge hat. Solange der Bauherr in der Lage ist, die Konsequenzen für die weitere Planung und Durchführung des Bauvorhabens zu erkennen, entfällt nach der Rechtsprechung sogar eine Haftung des säumigen Architekten. Vollendet der Bauherr das Bauvorhaben im vollen Bewusstsein, dass die ehemals geschätzten Baukosten überschritten werden, kann er nicht den geschmälerten Gewinn aus dem Projekt nachträglich beim Architekten geltend machen.

Schließlich gilt, nur wenn zwischen Bauherrn und Architekten eine Baukostenobergrenze „ausdrücklich“ vereinbart war, hat der Architekt für eine Überschreitung der vorgegebenen Kosten einzustehen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die „ausdrückliche“ Vereinbarung einer Baukostenobergrenze allerdings nicht mit der vereinbarten Honorarbemessungsgrundlage zu verwechseln. Die Rechtsprechung hat damit schon erkannt, dass die vorläufigen Herstellungskosten als Honorarbemessungsgrundlage gerne gedrückt werden und nicht als zugesicherte Kostenobergrenze in den Vertrag Eingang finden. Damit nicht genug erkennt die Rechtsprechung einen weiteren Ausweg für die Baukostengrenze. Ein ursprünglich sogar ausdrücklich vereinbartes Baukostenlimit gilt spätestens dann nicht mehr, wenn der Bauherr in die Planung eingreift oder Umplanungen notwendig sind und diese aus der Sphäre des Bauherrn stammen (zB Umplanungen aufgrund von behördlichen Auflagen).

Die restriktive Herangehensweise an eine sogenannte Baukostengarantie ist auch verständlich, zumal ein Planer wohl kaum die Faktoren der Baukostenentwicklung samt Material- und Lohnkosten, Auslastung der Branche und damit das allgemeine Preisniveau in die Zukunft voraussagen kann. Bedenkt man den Zeitfaktor, wobei zwischen der ersten Studie für die finanzierende Bank bis hin zum Baubewilligungsverfahren samt allfälligen Rechtsmittelverfahren schon Jahre vergehen können, ist eine Baukostengarantie durch den planenden Architekten schlicht illusorisch. Auch wenn der Wunsch nach Kostensicherheit groß ist, das Risiko eines Bauvorhabens sowohl in zeitlicher als auch finanzieller Hinsicht wird – bis auf wenige Ausnahmen – naturgemäß beim Bauherrn verbleiben.

 
Brigitte Berchtold