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Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit durch "zu alte" und "zu aktuelle" Strafregisterbescheinigungen

 

BVwG 8.8.2022, W139 2253938-1

erschienen in ZVB, Zeitschrift für Vergaberecht und Bauvertragsrecht (MANZ'sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH)

Die Überprüfung zweier Strafregisterbescheinigungen, im Hinblick auf deren Ausstellungsdatum, stellt keinen erheblichen Ermittlungsaufwand im Rahmen der Angebotsprüfung dar. Dieser Ermittlungsaufwand ist dem AG zumutbar und zieht keine Ungleichbehandlung der Bieter (Bewerber) nach sich.

Sachverhalt

Die Bundesimmobiliengesellschaft mbH (AG) schrieb einen Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung aus.

Die Teilnahmefrist endete am 23.02.2022. Die ASt legte fristgerecht einen Teilnahmeantrag, gab eine Eigenerklärung iS der Ausschreibungsunterlagen ab und verwies bezüglich der Unterlagen zum Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit auf die dem Angebot beiliegende Führungsbestätigung des ANKÖ. In der Eintragung im ANKÖ waren für die Geschäftsführer der ASt Strafregisterbescheinigungen datiert mit 17.03.2021 hinterlegt, welche keine Verurteilungen aufwiesen.

Am 24.03.2022 wurde die ASt zur Vorlage der Strafregisterbescheinigungen entsprechend den Teilnahmeunterlagen ("Auf Aufforderung: Aktueller Auszug aus [...] dem Strafregister [...] [maximal drei Monate alt]) aufgefordert.

Die ASt kam dieser Aufforderung nach und legte aktuelle Strafregisterbescheinigungen der Geschäftsführung vom 24.03.2022 vor. Die AG kam zum Ergebnis, dass es der ASt im maßgeblichen Zeitpunkt (zum Ende der Teilnahmefrist) an der beruflichen Zuverlässigkeit mangle und schied die ASt gem § 141 Abs 1 Z 2 u 7 BVergG aus dem Vergabeverfahren aus. Begründet wurde dies damit, dass die Teilnahmebestimmungen nur dahingehend zu verstehen seien, dass Strafregisterbescheinigungen bloß im Zeitraum drei Monate vor dem Ende der Teilnahmefrist bis zum tatsächlichen Ende der Teilnahmefrist datieren dürften.

Die ASt brachte daraufhin einen Nachprüfungsantrag gegen die Ausscheidensentscheidung ein. Nach Ansicht der Antragstellerin war die Auslegung der Teilnahmebestimmungen sinnwidrig, weil die Eignung im maßgeblichen Zeitpunkt gem § 79 Z 4 BVergG zum Ende der Teilnahmefrist vorliegen müsse. Eine Strafregisterbescheinigung vor dem Ende der Teilnahmefrist könne die Unbescholtenheit zum gesetzlich geforderten Zeitpunkt nicht erfüllen. Außerdem könnten wegen der Tilgungsvorschriften Strafregisterbescheinigungen keine Auskunft über einen beliebigen Zeitpunkt geben, sondern berücksichtigen lediglich jenen Zeitpunkt, an welchem die Behörde die Bescheinigung erstellt. Nach Ansicht der ASt kann mit zwei Strafregisterbescheinigungen, welche vor und nach dem maßgeblichen Zeitpunkt gem § 79 BVergG datieren, der Zweck der geforderten Unbescholtenheit erfüllt werden. Sind demnach beide Strafregisterbescheinigungen frei von einer Verurteilung, so muss zwingend die Unbescholtenheit im maßgeblichen Zeitpunkt dazwischen vorliegen.

Aus den Entscheidungsgründen:

[Rechtliche Beurteilung:]

[...] Für den vorliegenden Fall ist daher festzuhalten, dass Strafregisterbescheinigungen, welche zwar beim ANKÖ hinterlegt sind, aber nicht die geforderte Aktualität aufweisen, weil diese vor dem genannten Zeitraum und damit vor dem 23.11.2021 datieren, losgelöst davon, ob überdies eine Eigenerklärung abgegeben wurde, den Teilnahmeantrag mit einem Mangel behaften, zumal der Nachweis des Vorliegens der beruflichen Zuverlässigkeit iSd § 82 Abs 2 Z 1 BVergG 2018 nicht mit dem entsprechend aktuellen Nachweismittel erbracht werden konnte. Für eine derart "veraltete" Strafregisterbescheinigung kann die in der Ausschreibung festgelegte Vermutung, das Nichtvorliegen der einschlägigen Straftatbestände für den maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufes der Teilnahmeantragsfrist nachzuweisen, nicht ins Treffen geführt werden.

Die Strafregisterbescheinigungen der beiden Geschäftsführer der ASt, welche jeweils vom 17.03.2021 datieren, sind daher schlicht und ergreifend zu alt. Sie überschreiten das von der AG festgelegte maximal zulässige Alter. Die AG hat Folge dessen die ASt zu Recht zur Mängelbehebung aufgefordert [...]. Die Teilnahmeunterlagen sehen nicht vor, dass die Vorlage der Strafregisterbescheinigung zwingend mit dem Teilnahmeantrag bei sonstigem Ausscheiden bzw Nichtberücksichtigen des Teilnahmeantrages zu erfolgen hatte. Es handelt sich um einen verbesserbaren Mangel [...].

Über Aufforderung der AG, einen Auszug "aus dem Strafregister (maximal 3 Monate alt) [...]" zu übermitteln, "aus dem hervorgeht, dass zum Zeitpunkt des Endes der Teilnahmefrist (ie. 23. 02. 2022) keine rechtskräftige Verurteilung gegen in der Geschäftsführung tätige Personen der ASt vorliegt, die einen dort [...] angeführten Tatbestände betrifft", übermittelte die ASt in der Folge für die Geschäftsführer der ASt jeweils Strafregisterbescheinigungen, welche vom 24.03.2022 datieren und keine Verurteilung aufweisen.

Nach Ansicht des erkennenden Senates des BVwG ist die ASt hierdurch dem Ersuchen um Behebung des in der Vorlage eines nicht hinreichend aktuellen und damit für den Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit iSd § 82 Abs 2 Z 1 BVergG 2018 nicht geeigneten Strafregisterauszugs liegenden Mangels des Teilnahmeantrages nachgekommen, wenngleich die nachgereichten Strafregisterbescheinigungen ebenso nicht im Zeitraum zwischen 23.11.2021 und 23.02.2022 entstanden sind. [...]

[...] in einer Zusammenschau der [...] veralteten Strafregisterbescheinigungen vom 17.03.2021 mit den Strafregisterbescheinigungen vom 24.03.2022 kann aufgrund des zeitlichen Abstands von deutlich weniger als der (hier) fünfjährigen Mindesttilgungsfrist gem § 3 Abs 1 Z 2 Tilgungsgesetz 1972 über den fraglichen Zeitpunkt des § 79 Z 4 BVergG 2018 eine eindeutige Aussage getroffen werden, die darüber hinaus auch den gesamten nach den Angaben der Teilnahmeunterlagen nachzuweisenden Zeitraum abdeckt. Somit ist aber ebenso eindeutig, dass der ASt nicht gem § 78 Abs 1 Z 10 BVergG 2018 der Vorwurf gemacht werden kann, Auskünfte zur Eignung nicht erteilt zu haben. Vielmehr wird damit deutlich, dass die berufliche Zuverlässigkeit der ASt iSd § 82 Abs 2 Z 1 BVergG 2018 für den maßgeblichen Zeitpunkt mangels einschlägiger Verurteilung gegeben ist [...].

Zu beantworten bleibt allerdings überdies die Frage, ob die Vorlage der nach dem maßgeblichen Zeitpunkt datierenden Strafregisterbescheinigungen geeignet war, den in der Vorlage von nicht der von der AG gewünschten Aktualität entsprechenden Strafregisterbescheinigungen liegenden Mangel zu beheben. [...]

Was die Frage der geforderten Aktualität von Eignungsnachweisen bzw des Nachreichens aktualisierter Eignungsnachweise betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber selbst offenbar in Bezug auf eine nicht hinreichende Aktualität von Eignungsnachweisen eine nachträgliche Aktualisierung bzw Vervollständigung von Eignungsnachweisen binnen angemessener Frist im Grunde für möglich erachtet [...]. Entscheidend ist [...], dass durch eine derartige Mängelbehebung keine materielle Verbesserung der Wettbewerbsstellung des betreffenden Bieters bzw Bewerbers gegenüber seinen Mitbietern bzw Mitbewerbern eintritt. [...]

Das bedeutet für den gegenständlichen Fall, dass durch die nachträgliche fristgerechte Vorlage der nach dem dargestellten Zeitraum ausgestellten Strafregisterbescheinigungen für die Geschäftsführer der ASt der in der Vorlage eines mangels Aktualität nicht geeigneten Eignungsnachweises liegende Mangel des Teilnahmeantrages behoben wurde. Die Strafregisterbescheinigungen vom 17.03.2021 und vom 24.03.2022 sind in deren Zusammenschau geeignet, das Vorliegen des nachzuweisenden Umstandes, nämlich das Vorliegen der beruflichen Zuverlässigkeit iSd § 82 Abs 2 Z 1 BVergG 2018 darzutun. Eine Verbesserung der Wettbewerbsstellung der ASt ist mit dieser Vorgehensweise nicht eingetreten. Die Anforderungen an das erforderliche Ausmaß der Eignung bleiben unberührt. Auch kann nicht erkannt werden, dass die bloße Zusammenschau zweier Strafregisterbescheinigungen, deren Ausstellungsdatum wie vorliegend ein Jahr auseinanderliegt, bei der Prüfung des Vorliegens bzw Nichtvorliegens eines Ausschlussgrundes einen derart erheblichen Ermittlungsaufwand im Rahmen der Angebotsprüfung verursachen würde, welcher dem AG nicht zuzumuten wäre bzw eine Ungleichbehandlung der Bieter bzw Bewerber nach sich ziehen würde. [...]

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die ASt weder eine Auskunft zur Eignung nicht erteilt hat, noch die von der AG zum Nachweis der Eignung geforderten Nachweise bzw Bescheinigungen nicht vorgelegt, vervollständigt oder erläutert hat. Sie hat daher den Ausschlussgrund des § 78 Abs 1 Z 10 BVergG 2018 nicht verwirklicht. Sie hat den Mangel des Teilnahmeantrages fristgerecht behoben. Ein den Teilnahmebedingungen widersprechender Teilnahmeantrag liegt nicht vor. [...] Die angefochtene Entscheidung der AG stellt sich als rechtswidrig dar. [...]

Glosse

Das BVwG hat sich im gegenständlichen Fall mit der Frage auseinandergesetzt, ob die berufliche Zuverlässigkeit einer ASt im maßgeblichen Zeitpunkt gem § 79 BVergG - konkret dem Ende der Teilnahmefrist - mit einerseits "zu alten" und andererseits "zu aktuellen" Strafregisterbescheinigungen der Geschäftsführer nachgewiesen werden kann.

In Anbetracht der Tatsache, dass die ein Jahr alten - und somit "veralteten" - Strafregisterbescheinigungen in Kombination mit den "zu aktuellen" Strafregisterbescheinigungen, welche nach dem Ende der Teilnahmefrist datiert waren, einen zeitlichen Abstand von deutlich weniger als der - für das Erwachsenenstrafrecht - fünfjährigen Mindesttilgungsfrist nach dem Tilgungsgesetz aufwiesen, entschied das BVwG, dass dadurch der nach den Teilnahmeunterlagen nachzuweisende Zeitraum abgedeckt war und die berufliche Zuverlässigkeit der ASt iSd § 82 Abs 2 Z 1 BVergG 2018 im maßgeblichen Zeitpunkt gegeben war. Die angefochtene Ausscheidensentscheidung war daher rechtswidrig.

Bemerkenswert ist jedoch, dass das BVwG mit der E v 14.09.2021 (W187 2244216-1/25E) einen gleichgelagerten Sachverhalt zur Gänze gegenteilig beurteilt hat. Auch in diesem Fall wurden mehrere Strafregisterauszüge eines Geschäftsführers vorgelegt - einerseits eine vier Jahre alte Strafregisterbescheinigung und andererseits zwei Strafregisterbescheinigungen, die zwei bzw vier Monate nach dem Ende der Teilnahmefrist datiert waren. Dort gestand das BVwG zwar zu, dass durch veraltete Strafregisterauskünfte in Zusammenschau mit nach dem Ende der Teilnahmefrist datierten Strafregisterbescheinigungen eine klare Aussage über den nachzuweisenden Zeitraum getroffen werden könnte. Dies resultiere aus der dreijährigen Mindesttilgungsfrist gem § 3 Abs 1 Z 1 Tilgungsgesetz. Die dortige ASt brachte vor, dass die dreijährige Mindesttilgungsfrist iSd § 3 Abs 1 Z 1 Tilgungsgesetz ausschließlich für Jugendstraftaten gelte und für den Geschäftsführer der ASt nicht einschlägig sei. Dem entgegnete das BVwG allerdings, dass "einem öffentlichen Auftraggeber eine Prüfung dahingehend, welche Tilgungsfristen im konkreten Fall in Betracht kommen, aufgrund des damit einhergehenden Aufwandes nicht zuzumuten" sei. Die ASt hätte daher ihre berufliche Zuverlässigkeit nicht entsprechend den Anforderungen der Teilnahmeunterlagen nachgewiesen und sei zu Recht aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden worden.

Es mag einen wohl nicht zu Unrecht verwundern, dass derart gleichgelagerte Fälle vom BVwG so unterschiedlich beurteilt werden. Es bleibt daher spannend, welche Richtung die Judikatur des BVwG einschlagen wird. Die Ansicht, dass Strafregisterbescheinigungen ausschließlich in einem bestimmten Zeitraum - je nach Vorgabe der Ausschreibungsbestimmungen - datieren müssen, erscheint aber jedenfalls als eine unsachliche Hürde für Interessenten. Schließlich möchte der Gesetzgeber nur sicherstellen, dass einschlägig verurteilte Personen nicht ohne weiteres an öffentlichen Auftragsvergaben teilnehmen können, aber nicht, dass nachweislich unbescholtenen Personen wegen formaler Mängeln (zu alter und zu aktueller Strafregisterbescheinigungen) eine Teilnahme am Vergabeverfahren verwehrt bleibt. Aus rechtlichen Überlegungen im Hinblick auf die Bestimmungen des Strafregistergesetzes 1968 und des Tilgungsgesetzes 1972 ist das aktuelle Erkenntnis jedenfalls schlüssig nachvollziehbar und aus Bietersicht praxisnah zu beurteilen.

 
Sandro Huber